Die ehemalige Judengemeinde
(Aus: Kleiner Führer durch Harburg)
Mit fünf jüdischen Familien nahm die Geschichte der jüdischen Gemeinde in Harburg im Jahr 1671 ihren Anfang. Sie wurden von Graf Albrecht Ernst I. zu Oettingen-Oettingen in den Schutz aufgenommen. Daraus entwickelte sich eine bedeutende jüdische Landgemeinden des 18. und 19. Jahrhunderts im süddeutschen Raum. 1707 wies der Ort schon 25 jüdische Familien und um 1739 bereits 51 jüdische Haushalte auf. Um 1800 hatte Harburg etwa 1400 Einwohner. Der Anteil der Juden lag damals mit rund 340 Personen bei etwa 30 %. Auf Grund der Abwanderung, hauptsächlich der jüngeren Juden, in die großen Städte hatte Harburg gegen Ende des 19. Jahrhunderts seine Bedeutung als jüdische Landgemeinde verloren. Um 1930 fanden sich die letzten Bürger jüdischen Glaubens hautsächlich noch in der weit verzweigten Familie Nebel , die vornehmlich den Viehhandel betrieb ( Stammbaum der Nebels; Beispiel aus der Forschungsarbeit von Rolf Hofmann). Der Antisemitismus des 3. Reiches ging zwar auch an Harburg nicht spurlos vorüber, jedoch verstanden es die meisten noch hier lebenden Juden sich rechtzeitig aus Deutschland abzusetzen. 1939 war Harburg 'judenfrei'.
Die Begründer der jüdischen Gemeinde 1671 waren Vertriebene aus der Gegend um Höchstädt an der Donau, voran Moses Weil, dessen Wohnhaus am Marktplatz (Marktplatz Nr. 5) heute noch mit seinem schön geschwungenen Giebel eine Zierde des Stadtbildes ist . In dem um 1800 erbauten klassizistischen Haus mit Mansardendach am oberen Marktplatz residierte der letzte fürstliche Hoffaktor Jakob Lippmann Hechinger in respektablem Ambiente. Weitere Häuser mit jüdischer Tradition finden sich überall in der Harburger Altstadt, ein streng abgetrenntes Ghetto gab es nicht. Allerdings war das 'Egelsee' ein Straßenzug mit traditionell besonders starkem jüdischen Bevölkerungs- anteil. Im 'Egelsee' findet sich auch das Haus des kaiserlichen Proviantfaktors Simon Oppenheimer aus der Zeit um 1700, die Synagoge von 1754, die jüdische Schule des 19. Jahrhunderts und das großbürgerliche Haus der Familie Nebel, das ehemals üppig mit herrlichen Putzapplikationen verziert war.
Seit 1992 befasst sich die Initiative "Harburg Project' mit der Erforschung und Dokumentation der Geschichte der jüdischen Familien in Nordschwaben, ausgehend von den reichen Archivbeständen der Fürstlichen Archive auf Schloss Harburg. Anfragen sind zu richten an die E-mail Adresse HarburgProject@aol.com
Der jüdische Friedhof in Harburg
Aus: Kleiner Führer durch Harburg
Auf den Höhen im Westen, am Waldrand des Hühnerberges gelegen, ist diese Begräbnisstätte mit ihren noch etwa 250 erhaltenen Grabdenkmälern ein kostbares Zeugnis jüdischer Geschichte. Die im Jahr 1994 in Privatinitiative behutsam gesäuberten Grabsteine zeigen in filigraner Schönheit hauptsächlich Inschriften des 19. Jahrhunderts.
Die noch vorhandenen Steine bieten eine Fülle familiengeschichtlich wertvollen Materials. Die Gräber bedeutender Persönlichkeiten der Harburger Judengemeinde konnten identifiziert werden, so das Grab des wohlhabenden Salzfaktors Elkan Wassermann und das Grab des letzten fürstlichen Hoffaktors Jakob Lippmann Hechinger.
Angelegt wurde der Begräbnisplatz zwar bereits 1671, jedoch finden sich aus dem 17. und 18. Jahrhundert keine Grabsteine. Die ältesten Gräber sind direkt neben der Tahara (dem Totenhäuschen), die jüngsten Gräber liegen im unteren Drittel des Friedhofes.
Das letzte Begräbnis fand 1938 statt. Am unteren Ende des Areals befindet sich eine Reihe kleiner Grabsteine, dies sind Kindergräber aus der Mitte des 19. Jahrhunderts. Während des Dritten Reiches dürfte wohl eine große Anzahl von Grabsteinen entwendet und anderen Zwecken zugeführt oder zerstört worden sein.
Eine in Privatinitiative erstellte Kurzdokumentation mit Großfotos von etwa 50 Grabsteinen kann in der Stadtbibliothek eingesehen bzw. käuflich erworben werden.
Diese sorgfältig ausgearbeitete Dokumentation mit hebräischer Transkription der Inschriften, deutscher Übersetzung und familiengeschichtlichen Erläuterungen unterstreicht die historische Bedeutung des Harburger Judenfriedhofs, der nach dem Friedhof in Wallerstein der älteste und wohl auch schönste in unserem Landkreis ist.
Die Initiative „Harburg Project“ befasst sich mit der Erforschung und Dokumentation der Geschichte der jüdischen Familien in Nordschwaben, ausgehend von den reichen Archivbeständen der Fürstlichen Archive auf der Harburg. Anfragen bitte an HarburgProject@aol.com
Der Harburger Judenfriedhof ist für die Öffentlichkeit prinzipiell nicht zugänglich. Besichtigungen in begründeten Einzelfällen können jedoch mit der Stadtverwaltung vereinbart werden.