Heroldingen Geschichte
Am Südostrand des Rieskessels steigt am linken Ufer der Wörnitz steil der „Kräuterranken“ empor, der in seinem dichten Laubwald manche in unserer Gegend seltene Pflanze birgt und deutliche Randwälle zeigt, die es erklärlich machen, dass seine Hochfläche noch heute „auf der Burg“ heißt. Diese Wälle sind keine mittelalterlichen Baureste, sie sind vielmehr verfallene Mauern einer Siedlung der frühen Hallstattzeit. In der Ebene, auf den Kalbäckern, fanden sich ebenfalls Wohnstätten und Gräber aus verschiedenen Perioden der Vorgeschichte. Auch Mauerstücke von römischen Bauten haben sich in Heroldingen an einigen Stellen, nämlich auf der oberen Eisengewand und am Heuweg, gefunden, darunter sogar Pfähle einer Brücke; und die Römerstraße, die sich von Großsorheim gegen Munningen zog, bildet gerade auf dem Grund des Dorfes einen rechten Winkel.
Dort hat nach der Vertreibung der Römer vermutlich ein Alamanne Herigolt (Bedeutung wohl „der im Heer waltende“) eine Niederlassung gegründet, die sich im Laufe der Zeit zu einem noch vor einigen Jahrhunderten stets Hergoltingen, jetzt Heroldingen genannten Dorf entwickelte. Lange Zeit ging man von einer ersten urkundlichen Erwähnung Heroldingens im Jahr 1193 aus. Sie nennt unter den Zeugen einer Verhandlung Rumhard und Otto de Hergoltingen. Seit spätestens 2021 ist die Erwähnung eines Otto de Hergoltingen in einer Urkunde etwa aus dem Jahr 1150 bekannt. Als spätere Besitzer nennen die Quellen einen Otto von Wöllwart, der zwei Sölden und einige Äcker, das Tückersgereute genannt, der Kirche von Schrattenhofen schenkte gegen die Verpflichtung, die Brücke in Stand zu halten (Weng und Guth: Das Ries), die Edlen von Lierheim, die viele Güter dieses Ortes besessen zu haben scheinen, den Nördlinger Patrizier Friedrich Töter, der 1350 dort von einer Agnes von Rechberg bedeutendes Besitztum erwarb, und seine Witwe Anna, die 1393 den ganzen Besitz an die Grafen von Oettingen weitergab als Tauschgabe gegen die Schwallmühle und einige Untertanen in Baldingen und Ehringen. Um das Jahr 1760 gab es in Heroldingen außer den 46 oettingischen Untertanen des Oberamts Alerheim nur mehr zwei Höfe des Klosters Kaisheim, drei des Klosters Heilig Kreuz und einen, die Mühle, der Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach.
Die ursprünglich dem heiligen Martinus geweihte Kirche, von deren altem Bau nur mehr der untere Teil des Turmes erhalten ist, stammt in ihrer gegenwärtigen Gestalt aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts (1849/50).
Das Patronat, als dessen Inhaber um 1300 die Herren von Lierheim nachweisbar sind, wurde von diesen im Jahr 1330 dem Klostern Zimmern geschenkt und kam so durch dessen Säkularisierung ebenfalls an die Grafschaft Oettingen, deren protestantische Linie 1539 die Gemeinde der neuen Lehre zuführte. Ihr wurde sie durch den Schmalkaldischen Krieg, in dem die kaiserlichen Truppen 1546 die Kirche und das Pfarrhaus zerstörten, wieder entrissen, aber nur für einige Jahre, bis durch den Augsburger Religionsfrieden (1555) die protestantische Linie wieder in ihre Rechte eingesetzt war.
Zu Heroldingen gehören der Brennhof, der einst dem oettingischen Oberamt Harburg zugewiesen war, und die unterhalb der Vereinigung der Eger mit der Wörnitz gelegene Tiefenmühle, die einst Eigentum des Klosters Auhausen war und durch die Reformation mit diesem an die Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach fiel.
Das Heroldinger Wappen
In Schwarz befindet sich eine gestürzte, eingeschweifte, silberne Spitze. In ihr brennt eine Fackel mit schwarzem Griff. Beiderseits der Spitze stehen die silbernen Großbuchstaben G und K.
Erklärung
1512 wurde in Heroldingen der Reformator Georg Karg geboren. Dieser berühmteste Sohn Heroldingens starb 1576 in Ansbach. Die Gemeinde setzte ihm mit den Anfangsbuchstaben seines Namens auf dem Wappen ein Denkmal.
Die Fackel bedeutet das Licht des Glaubens, das der „Reformator des Rieses“ in diese Landschaft brachte.
Vom Lanz Bulldog HL 12, der als „Ur“-Bulldog gilt und im Jahr 1921 durch die Heinrich Lanz AG (seit 1956 John Deere) hergestellt worden ist, gibt es zumindest ein Exemplar in Heroldingen. Die Ersatzteilliste mit der Fabrikations-Nr. 1275 ist ebenfalls noch vorhanden. Unter anderem aus einer Urkunde der Überwachungsstelle für Mineralöl in Berlin geht der ursprüngliche Zweck der Anschaffung hervor, nämlich der Antrieb einer Schottermaschine für den Heroldinger Steinbruch. Letztere wurde nach Beschluss vom 20. Februar 1937 angeschafft. Da der Lanz Bulldog nachweislich seit März desselben Jahres das erste „Rohöl“ in Heroldingen verbrauchte, steht fest, dass er gebraucht als bereits 16-jähriger Traktor angeschafft worden war. Da der Verkäufer der anzutreibenden Schottermaschine aus Wemding stammte, ist zu vermuten, dass dies auch der bisherige Einsatzort des Bulldogs gewesen sein muss. Wahrscheinlich handelt es sich um den ersten Traktor in Heroldingens Geschichte. Nur vom oberen Wirt des Orts wird eine Traktoranschaffung im selben Jahr berichtet.
Karl Kornmann aus Heroldingen, geboren 1922, also ein Jahr nach Herstellung des Bulldogs, steuerte die 12-PS-Maschine über viele Jahre hinweg – wohl vor und nach dem Zweiten Weltkrieg. Damit war dem Brechen und Zerkleinern von Steinmaterial für den Wegebau selbst durch Frauen und Kinder ein Ende gesetzt. Später pachtete die Firma Kurt Weiß aus Amerdingen die Kiesgrube und sorgte durch modernere Abbaumethoden für reichlich Schotter, u.v.a. für den Ausbau der Straße zwischen Fessenheim und Wemding.
Der Steinbrecher verschwand spurlos, während der alte Traktor in einem Verschlag am ehemaligen Badersberger Schuttplatz weiterhin herumstand. Vermutlich konnte sich Kornmann nicht so recht von ihm trennen. Er war sozusagen mit jeder Schraube vertraut und hatte schon einmal ein Ersatzteil am Hoppinger Bahnhof mit dem Leiterwagen abgeholt.
Sein bleibendes Dasein verdankt das Gefährt sicher der Renovierung des Heroldinger Zehentstadels mit seiner Einweihung im Jahr 1978. Mit vielen anderen landwirtschaftlichen Geräten fand der Bulldog hier seinen dauerhaften Unterstellplatz und nur Kornmann war in der Lage, ihn zu steuern. Das tat er dann auch beherzt während der Zehentstadelfeste in 1978 und 1989. Schließlich übergab er sein langjähriges Wissen an den Dürrenzimmerner Fritz Wiedenmann auf Betreiben von Zehentstadelbetreuer Ralf Melber. Innerhalb einer Stunde war der Lanz am 18. Juni 2013 wieder zum Laufen gebracht, nachdem Kornmann heftig dagegen protestierte, dass Wiedenmann ihn vorab zerlegen wollte. „In a halba Stond loft der!“ Etwa so war es dann auch. Still zog sich Kornmann daraufhin zurück und verstarb einige Jahre später. Seine Hinterbliebenen überließen dem Rieser Bauernmuseums- und Mühlenverein dankenswerterweise die Vorglühlampen und Urkunden.
Am 1. Mai 2019 weihte Wiedenmann schließlich den Heroldinger Tobias Röthinger ein, der das Gerät seither mit Herzblut betreut und Freunde wie den Katzensteiner Matthias Wiedemann einbezieht. Den Rieser Bauernmuseums- und Mühlenverein e.V. überzeugte das Zukunftskonzept für den Traktor mit seinem Standort Zehentstadel so sehr, dass er mit Aussicht auf großzügige Spenden der aufwändigen und durchaus kostspieligen Restaurierung zustimmte.
Still und heimlich – während des Lockdowns der Coronakrise im Frühjahr 2020 – brachte die Firma Jakob Dick & Söhne aus Weichenried, Kreis Pfaffenhofen a.d. Ilm, den Traktor technisch wieder auf Vordermann. U.v.a. ist wieder Gummi auf den Rädern, die Lenkung hat kein extremes Spiel mehr und der Motor läuft wieder rund. Am 29. April holte das Betreuerteam den Bulldog wieder nach Hause.
Für die Raiffeisen-Volksbank Ries eG war das Objekt Pilotprojekt, um das sogenannte „Crowdfunding“ regional ins Leben zu rufen, das eine Finanzierung durch viele kleine und große Spenden ermöglicht. Raiffeisens Aussage: „Was einer allein nicht schafft, das schaffen viele“, wird am Heroldinger Lanz Bulldog deutlich: Einer hat das Konzept, ein anderer Ideen zur Finanzierung, der nächste kann ihn fahren, ein weiterer reparieren usw. Die Tatsache, dass zur richtigen Zeit Männer der Stunde in die Bresche sprangen, hilft nun dazu, anhand des „Ur“-Bulldogs leicht nachvollziehbare Technik aus einer anderen Zeitepoche hautnah zu erleben. Die lange Vorglühdauer mit kochender Flamme zeugt noch heute davon, dass unser heutiger Wohlstand mit all seinen Annehmlichkeiten nicht von heute auf morgen von unseren Vorfahren aufgebaut worden ist. Insofern tadelt der Lanz Bulldog mit seiner Geschichte die Auffassung, dass alles immer auf Knopfdruck funktionieren muss.
Reformator Georg Karg - geboren in Heroldingen
Georg Kargs Geburtstag ist nach neuesten Recherchen irgendwo zwischen Ende November 1512 und Ende April 1513 anzusetzen. Sicher ist, dass es sich bei ihm um einen Bauernsohn aus dem Riesdorf Heroldingen handelte, wo inzwischen eine Gedenktafel, ein Straßenname und vor allem das Ortswappen an ihn erinnern.
Im Regierungsbereich von Graf Karl Wolfgang auf der Harburg, des Bruders von Ludwig XV. in Oettingen, gab es schon erste evangelische Einfärbungen. So war es dem geistlich sehr empfänglichen Gemüt des Buben Georg Karg möglich, Messe und Psalmen in Heroldingen in deutscher Sprache zu hören. Geistliche, familiäre oder auch politische Förderer mögen das Ihre dazu beigetragen haben, dass Karg es sich leisten konnte, sich für das Wintersemester in Wittenberg 1531/1532 einzuschreiben. Was muss das für ihn bedeutet haben, persönlich von Lehrern wie Martin Luther oder Philipp Melanchthon zu lernen! Mit letzterem verband ihn seit dieser Zeit eine lebenslange enge Freundschaft und Martin Luther hatte ebenfalls ein wachsames, behütendes Auge auf den jungen Rieser geworfen.
Ludwig XV. hatte lange gezögert, bis er ebenso voranging wie sein Harburger Bruder, auch, weil er Rücksicht auf seinen Beichtvater Christoph Hahn genommen hatte, der zwar bei der römisch-katholischen Lehre blieb, aber durchaus Neuerungen als nötig ansah. Nach dem Tod Hahns aber gab es für Graf Ludwig kein Zurück mehr: Er bat die Wittenberger um den Dienst seines Landeskindes, um die evangelische Lehre auch in seinem Regierungsbereich einzuführen. Sowohl Martin Luther als auch Philipp Melanchthon bestätigten die Ordination in einem Schreiben an den Grafen. Stadtpfarrer Johannes Bugenhagen, der Martin Luther und Katharina von Bora getraut hatte, leitete die Zeremonie. Luther schrieb am 12. August 1539 an Ludwig XV. über „den Magister Georgen Karg“: „… und befehlen ganz demütiglich denselben Magister Georgen Euer Gnaden, denn er ein fein gelehrt Mensch ist, und ob er auch noch jung ist, hoffe ich doch, Gott solle durch ihn viel Früchte schaffen, denn er hat unser Lehr und Weis (welche Gottlob eine christlich ist) gesehen und wohl gehöret, mit Fleiß auch sich daran gehalten.“
Freilich bemühte sich neben einigen anderen Pfalzgraf Ottheinrich von der unmittelbar angrenzenden bedeutenden Pfalz-Neuburg ebenfalls um Georg Karg. Philipp Melanchthon wäre diesem Ansinnen nicht abgeneigt gewesen, doch Graf Ludwig wusste sich durchzusetzen.
Beginnend mit St. Jakob in Oettingen, seiner Hauptwirkungsstätte in der Grafschaft, ging Georg Karg mit erst ca. 26 Jahren ans Werk, um mit den Geistlichen, die Ludwig XV. erst im Frühjahr davor auf Schloss Alerheim für die Einführung der Reformation begeistern konnte, im Sinne der evangelischen Lehre für Rieser Bauerndörfer zu wirken, deren Bevölkerung das Evangelium sicherlich willkommen hieß, aber noch fest in überkommenen Traditionen eingefleischten Bräuchen huldigten, die einer neuen Erkenntnis über biblische Inhalte nach und nach weichen mussten. Eine Herausforderung war in jener Zeit vor allem, wovon die Priester leben sollten, wenn erst einmal die Seelenmessen wegfielen. Martin Monninger, ein Rieser, der wie Karg in Wittenberg studiert hatte, sah gespannt von Ansbach aus zu und schrieb einst: „Da keren (gehören) auch Leut‘ dazu“, eine Anspielung auf den noch jungen Georg Karg.
Von nun an wirkte Georg Karg für Pfarrer und Volk mittelbar oder unmittelbar u.a. in Alerheim, Appetshofen, Aufhausen a.d. Kessel, Aufkirchen, Balgheim, Benzenzimmern, Bühl, Christgarten, Dornstadt, Dürrenzimmern, Ebermergen, Ederheim, Ehringen, Fessenheim, Forheim, Fürnheim, Grosselfingen, Großsorheim, Harburg, Heroldingen, Heuberg, Hohenaltheim, Holzkirchen, Hürnheim, Kirchheim i.R., Klosterzimmern, Kösingen, Mauren, Mönchsdeggingen, Mönchsroth, Möttingen, Munningen, Oppertshofen, Pfäfflingen, Rudelstetten, Schaffhausen, Schmähingen, Schwörsheim, Segringen, Trochtelfingen, Untermagerbein, Unterringingen, Walxheim und Wechingen. Im Harburger Land, wo schon früher einige reformatorische Einflüsse Fuß gefasst hatten, richtete man sich aufgrund des maßgebenden theologischen Einflusses Kargs wie in Oettingen nach der Kirchenordnung von Brandenburg-Ansbach.
Zur Zeit der Reformation erreichte eine große Bildungswelle die deutsche Nation, was nicht zuletzt auf den „Lehrer der Nation“, Philipp Melanchthon, zurückzuführen ist. 1541 entstand auf Anraten Georg Kargs der Vorläufer des heutigen Albrecht-Ernst-Gymnasiums in Oettingen: die Lateinschule, anfangs im Deutschen Haus, später bei St. Jakob.
1547 stellte Kaiser Karl V., der die alte römische-katholische Lehre mit Gewalt zu verteidigen suchte, in seinem Siegeszug durch das Ries die evangelischen Pfarrer und Lehrer vor die Wahl, entweder den Tod zu erleiden oder binnen einer kurzen Frist die Oettinger Grafschaft zu verlassen. Georg Karg entwich mit seiner Familie über Wemding nach Schwabach, wo er als eifriger Verfechter der protestantischen Sache auffiel und immer mehr in überregionale protestantische Fragen mit einbezogen wurde – wohl auch aufgrund seiner Nähe zu Philipp Melanchthon, der ohne seinen 1546 verstorbenen Freund Martin Luther weiterarbeiten musste.
Wir finden Georg Karg 1552 als Stadtpfarrer und später auch als obersten Superintendenten des Markgrafentums Brandenburg-Ansbach (inkl. Bayreuth mit Kulmbach) wieder, von wo aus er zum Teil weiter für seine Heimat wirken konnte, auch wenn es nach dem Augsburger Religionsfrieden von 1555 Graf Ludwig XV. und dessen Sohn nicht mehr gelang, Karg wieder in Oettingen anzustellen. Zu wichtig waren dessen Aufgaben als bedeutendster protestantischer Vertreter des heutigen nordbayerischen Raums bei Religionsgesprächen u.a. in Regensburg, Frankfurt und schließlich Worm. Dort ergriff er als einziger evangelischer Vertreter neben Philipp Melanchthon das Wort. Bemühungen um eine Einheit unter protestantischen Richtungen sowie mit der römischen Kirche blieben dabei fruchtlos. Beinahe wäre es schon davor dazu gekommen, dass Karg gemeinsam mit Melanchthon und wenigen anderen zum Konzil nach Trient gereist wäre, doch mangels eines freien Gehalts wäre diese Reise viel zu gefährlich gewesen. Der Scheiterhaufen war damals bittere Realität.
Georg Karg verfasste 100 Thesen über die Rechtfertigungslehre und einen eigenen Katechismus für seinen Einflussbereich, mit dem er die evangelische Lehre noch besser dem einfachen Volk nahe bringen wollte. Über 200 Jahre wurde dieser Katechismus – zuletzt im Bereich Pappenheim – eingesetzt. Als Kernaussage seiner Schriften zieht sich wie ein roter Faden durch, dass es keine Hoffnung auf ewiges Leben gibt, wenn man bewusst an Sünde festhält und keine tiefgehende Reue darüber verspürt. Unermüdlich wirkte der gebürtige Heroldinger Bauernsohn für das Evangelium, wie er es von Luther und Melanchthon gelernt hatte, und starb niedergebeugt von viel Entbehrung und Arbeit im Dienst für Gott und seine Mitmenschen am 27. November 1576 in Ansbach.
Ein gewisser Heinrich Pantaleon war Zeitgenosse Georg Kargs und verfasste ein Buch mit zahlreichen Druckgrafiken: „Der erste(-dritte) Theil Teutscher Nation Warhafften Helden“. Neben einem nicht historischen Bild beschrieb Pantaleon ganz kurz in lateinischer Sprache das Leben Kargs. (Bild: Pitts Theology Library, Atlanta, Georgia, U.S.A.)
Ein Buch über Georg Karg - "Reformator des Rieses" (Autor: Ralf Hermann Melber) ist bei der Stadtverwaltung erhältlich. Es handelt sich um eine Sonderpublikation der Harburger Hefte.
Otto Friedrich Hörner – Literat und aufopferungsvoller Diakon
Das erste existierende Verzeichnis schwäbischer Schriftsteller im 18. Jahrhundert entstand aus der Feder des am 6. Januar 1746 in Heroldingen geborenen Pfarrersohns Otto Friedrich Hörner. Sein Vater Johann Balthasar verstarb schon nach anderthalb Jahren. Danach wohnte der Halbwaise mit seiner Familie in Schrattenhofen und besuchte von dort die Heroldinger Schule. Da die Mutter die Schwester des Generalsuperintendenten Georg Adam Michel in Oettingen war, vertraute sie ihren Sohn diesem besonders an. Dessen reichhaltige Bibliothek voll heimatlicher und geistlicher Literatur prägte den Jungen. Nach Studium in Altdorf (Theologie, Philosophie usw.) und der Examinierung ging Hörner nach Augsburg. Dort lehrte er zunächst eine junge Adelsfamilie, erwarb das Recht, in allen ev. Kirchen zu predigen und wurde 1770 ordiniert. Während der unmittelbar folgenden Hunger- und Seuchenjahre kümmerte er sich neben Lehr- und Predigtamt besonders um die Kranken, Leidenden und Sterbenden im Spital am Roten Tor, wo sich heute die berühmte Augsburger Puppenkiste befindet. Dieser unermüdliche Einsatz, bei dem er kranke und verstorbene Lehrer und Geistliche zu ersetzen hatte, brachte ihm so viel Vertrauen ein, dass man ihn in der Karwoche 1772 zum Diakonat an Evangelisch Heilig Kreuz berief. Fortan predigte er also nicht nur in Kirchen wie St. Anna u.a. mutig gegen Getreidewucher und Geiz als Ursache der Seuche neben schlechtem Korn. Er diente nun fest im ersten protestantischen Kirchenbau Augsburgs (eingeweiht 1653). Erster Pfarrer an Ev. Hl. Kreuz war zu Hörners Zeit der oft verreiste Johann August Urlsperger, Dogmatiker und Stifter der Christentumsgesellschaft, der dem Pietismus nahestand. Hörner verfasste zahlreiche Schriften, u.v.a. ein Liederdichterlexikon. Johannes Hus als „der erste Lutheraner, 100 Jahre vor Luther“, der in Konstanz verbrannt wurde, wird darin ebenso plastisch beschrieben wie Martin Luther u.v.a. In „Das große Glück, ein Christ zu sein“ stellt sich Hörner gegen die Auffassung, Gott sei im Alten Testament eher strafend und im Neuen besonders gütig gewesen. Auch sei in beiden Teilen der Bibel der Glaube notwendig gewesen und Christus habe vom Fluch des Gesetzes befreit, aber nicht davon, die Zehn Gebote zu halten. In weiteren Schriften mit teilweise seitenlanger Gedichtform betonte Hörner z.B. aufgrund seines Umgangs mit Kranken die Notwendigkeit einer gesunden Lebensweise mit Bewegung an frischer Luft und ausgewogener Ernährung. Am 8. August 1780 hielt er eine Jubelpredigt, 250 Jahre nach der Confessio Augustana und anlässlich der Religionsfreiheit der Protestanten. Der Schriftsteller und Seelsorger, der deutschlandweit korrespondierte, überlebte zweimal das Faulfieber. Beim dritten Mal kämpfte der Arzt vergeblich dagegen, doch Hörner sah sich auf sein Ende am 28. Dezember 1781 mit knapp 36 Jahren für die Ewigkeit vorbereitet.
In Heroldingens Wörnitzstraße befindet sich seit 2016 eine Gedenktafel, die an den Theologen erinnert. Im selben Jahr konnte zweifelsfrei nachgewiesen werden, dass der Geburtstag der Evangelischen Diakonissenanstalt Augsburg auf Hörners Enkeltochter Julie Hörner zurückzuführen ist. Sie begann nämlich ihren Dienst in Augsburg am 15. Oktober 1855 und trug die Verantwortung für die Ausbildung weiterer Diakonissen in der Arbeit für Kranke und Sterbende. Ihre ganze Lebensausrichtung gründete sich auf den Fokus, dort zu sein, wo ihr Heiland sie haben wollte.
Folgende Werke sind von Otto Friedrich Hörner erhalten:
Die Pflicht, nicht zu heurathen – Augspurg 1760.4
Nachrichten von Liederdichtern des Augspurgischen Gesangsbuches. Nördlingen 1770.8
2te um die Hälfte vermehrte Ausgabe. Schwabach 1775.8
Alphabetisches Verzeichnis oder Lexikon der jetztlebenden schwäbischen Schriftsteller, aus des ber. Hrn. Prof. Hamberger`s in Götting gelehrten Teutschlande gezogen, mit vielen Zusätzen vermehrt und einer Vorrede begleitet, welche theils vermischte Urtheile über den charakteristischen Zustand der jetzigen Gelehrsamkeit in Schwaben, theils Anzeigen der jetztlebenden Augspurgischen Künstler enthält. Nördlingen 1771.8.
Ein Angedenken an die Hülfe Gottes nach der harten Zeit i. d. Jahren 1770-1773; eine Predigt.Augsp. 1773.8.
Das große Glück, ein Christ zu seyn; eine Predigt. Schwab. 1774.8
Ermunterungen zu Dank und Flehen; eine Predigt. Nördlingen 1774.8
Ueber Pauli hohe Offenbahrung und Entzückung in das Paradies und den dritten Himmel, 1776
Empfindungen, mit denen am ersten Tage des Jahres 1776 den öffentlichen freyen Vortrag angefangen und f.w. Augspurg 1770.8.
Beyträge zu den Göttingischen wöchentlichen Blättern zum Unterricht und zur Erbauung gemeiner Christen, z.B. Wider die Lieblingssünde; im 39sten Stück des 2ten Bandes.
Literatur über Otto Friedrich Hörner
Alfred Schott: Die evangelische Kirche zum Heiligen Kreuz, 1903, S. 34.
Johann Christoph Heckel, Kurze Lebensgeschichte Otto Friedrich Hörners, Augsburg 1782
Dr. Volker von Volckamer, Literatur, Musik und bildende Kunst in Rieser Kulturtage Dokumentation Band III/1980, Nördlingen
Ralf Hermann Melber: Otto Friedrich Hörner – Literat und echter Diakon. Stadt Harburg (Schwaben), Harburger Hefte 13 S. 153 ff., Harburg (Schwaben) 2015.
Pfarrer Andreas G. Ratz von Evangelisch Heilig Kreuz Augsburg, Initiator Ralf Hermann Melber, Anton Fischer (Heimatgeschichtlicher Arbeitskreis Harburg), Heroldingens Altbürgermeister Heinrich Stegner und Harburgs Bürgermeister Wolfgang Kilian im April 2016 vor der frisch angebrachten Gedenktafel.
Michael und Sibylla Schuster – Pfarrer, Dichter und Dramatiker
Der Pegnesische Blumenorden (abgeleitet vom Fluss Pegnitz in Nürnberg) ist der einzige noch bestehende unter vielen deutschen literarischen Vereinen, die nach dem 30jährigen Krieg zur Pflege und „Reinigung“ der verwilderten deutschen Sprache gegründet worden sind. Fürst Albrecht Ernst I. von Oettingen-Oettingen war Mitglied der anhängigen „Oettinger Blumengenossen“, ebenso wie Michael Schuster, gebürtiger Memminger und u.a. von 1678 bis 1681 Pfarrer in Heroldingen. Dieser Geistliche war Verfasser von Dramen bzw. Opernlibretti, etwa zur Hochzeit von Wilhelm Ludwig von Württemberg mit der Landgräfin von Hessen-Darmstadt, Maria Sibylla. Sibylla hieß auch die ebenfalls in Memmingen geborene Ehefrau Schusters, die nicht weniger als ihr Ehemann tiefgründig poetisch aktiv war, etwa in dem Drama: „Verkehrter Bekehrter und wieder Betörter Ophiletes“.
Gemeinsam schrieb das Ehepaar Gedanken über den „schröcklichen Cometen“ vom Dezember 1680, den sie wohl in Zusammenhang mit Vorhersagen im Buch der biblischen Offenbarung sahen, wo ein Sternenfall beschrieben wird. Offensichtlich ging es beiden nicht nur um die Reinerhaltung der deutschen Sprache, sondern der Menschenherzen überhaupt. In dem Kometen sahen sie ein symbolisches Zeichen ihrer Hoffnung auf die Wiederkunft Christi: „Brich mit deinem letzten Tage, starker Held, doch bald herein! Der so vieler Angst und Plage ein gewünschtes End wird sein. Komm und wende unser Leiden ewig dort in lauter Freuden!“ Sie wussten, wovon sie schrieben, denn sie waren während bzw. kurz nach dem 30jährigen Krieg geboren.
Mag man heute die damaligen Gedanken über jenen Kometen belächeln, weisen aktuelle Veränderungen in der Natur doch auf eine globale Krise hin, die auf Fakten beruht. Angesichts oft angezweifelter Beobachtungen heutiger Wissenschaftler ist Schusters Zeile hoch aktuell: „… wollt ihr Gott nicht in der Bibel hören, so lasset Menschen euch durch die Erfahrung lehren.“ Genau diese Aussage ist auf einer neuen, dritten Gedenktafel in Heroldingen verewigt. Das Ehepaar Michael und Sibylla Schuster hat nun einen würdigen Platz zwischen Georg Karg und Otto Friedrich Hörner gefunden. Alle hatten sie gelebtes Gottesbekenntnis sowie fleißiges, überregionales und literarisches Schaffen gemeinsam.
Die vom städtischen Bauhof angebrachte Tafel stifteten zwei ehemalige Heroldinger Schulfreunde, der „Pfarr-Fritz“ und der „Schual-Hebbet“, beide Jahrgang 1946. Der Vater von Initiator Dr. Friedrich Seidel war ein früherer Pfarrer in Heroldingen. Kreisheimatpfleger Herbert Dettweiler ist Sohn von Ernst Dettweiler, der als Heroldinger Lehrer Heimatgeschichte in Wort und Bild didaktisch vermittelt und schriftlich hinterlassen hat. Dritter Stifter ist der Pegnesische Blumenorden.
Auf dem Bild zu sehen sind v.l. vor den Heroldinger Gedenktafeln im Januar 2022: Bgm. Christoph Schmidt, Kreisheimatpfleger Herbert Dettweiler, Initiator Dr. Friedrich Seidel, Pfr. Reinhard Caesperlein, Ralf Hermann Melber (Tafelentwurf), Altbgm. Anton Fischer (Heimatgeschichtlicher Arbeitskreis Harburg)