Um den Marktplatz reihten sich noch bis vor ca. 60 Jahren ein Geschäft an das andere: u.a. das noch vorhandene Café, ein Lebensmittelgeschäft, eine Strumpffabrik, ein Obst- und Gemüseladen, ein Haushaltswarengeschäft, ein Zeitschriften- und Zigarrengeschäft, die Sparkasse, die Gastwirtschaft, eine Kolonialwarenhandlung und dahinter im Rückgebäude die Druckerei der bis 1930 erschienenen „Harburger Zeitung“.
In bereits erwähnten Café gab es früher im vorderen Gebäude eine Bäckerei und im Rückgebäude eine Schmiede. Aus der Kombination von Schmied und Bäcker entstand im Laufe der Zeit für den Bäcker der (Haus-) Name „Schmiebäck“. Das hörte sich dann etwa so an: „Breng vom Schmiebäck no a Broat mit, v`rgiss abr net, gell!“
Früher machte der Bäcker und Cafébesitzer auch das Eis noch selbst. Man sagt, er habe es mit dem Ausspruch „Wer einmal leckt, der weiß wie´s schmeckt, der schleckt den ganzen Laden weg“ gepriesen. Die Kugel Eis kostete damals 10 Pfennig.
Anfang des 17. Jahrhunderts gab es in Harburg 130 Häuser. In 60 davon, also fasst in jedem 2., wohnte ein Handwerker. Von einer Einnahmequelle allein konnte ein Bewohner kaum leben, deshalb besaßen viele entweder 1 Kuh, Schafe, Ziegen oder Gänse. Unter den 157 Handwerkern und Gewerbetreibenden um 1800 waren Berufe, die inzwischen ausgestorben sind: z.B. Bader, Borkenwickler, Ellenwarenhändler, Knopfmacher, Schmuser usw.
Die Nördlinger Straße hinauf zweigt kurz nach dem Marktplatz nach rechts die Judengasse ab, die erst nach dem 2. Weltkrieg diesen Namen erhielt. Zuvor war es nur das „Gässle“. In dem Eckhaus rechts befand sich bis 1938 ein Krämerladen, der einem Juden gehörte. In der Bevölkerung nannte man den Eigentümer nur den „Krawaller“, weil er, wie man sagte, eine besonders laute Stimme hatte und seine Meinung nachhaltig vertrat. Ansonsten war er jedoch recht beliebt und angesehen, auch die christlichen Harburger kauften gern bei ihm ein. Er war Kriegsteilnehmer im 1. Weltkrieg, wurde als Feldunterarzt mit dem Eisernen Kreuz II ausgezeichnet und amtierte nach dem Krieg sogar als Hauptschöffe am Amtsgericht in Donauwörth.
Nun zu einer kleinen Episode, die das Verhältnis von ihm zu den Harburger Christen beleuchtet und auch schriftlich festgehalten ist: am Samstag, 1. April 1933, dem „Tag der Machtübernahme“, stellte sich ein SA-Mann vor den Eingang zu seinem Geschäft und wollte die Kunden am Einkauf abhalten. Die zumeist christlichen Kunden ließen sich allerdings keineswegs vom Einkauf bei ihrem Kramer abhalten, ignorierten den Wachposten und drängten ihn immer wieder zur Seite. Der Wachmann zog sich, so wird berichtet, bald zurück. Der Krämer musste 1934 allerdings seinen Laden schließen. Er war der letzte Jude, der 1938 auf dem jüdischen Friedhof bestattet wurde.